Neue Einheit: „Fucking Huge“

14. März 2013 at 18:23

Led Zeppelin Celebration Day, London, O2 Arena

Musik ist kein Sport, verehrte „Besten-Listen-Anhänger“. Aber ganz selten wird DER ROCK so genial aufgetürmt, so unbestreitbar virtuos errichtet, um mit geradezu mythischer Wucht über den Zuhörer zu kommen, wie an diesem wahrscheinlich letzten großen Celebration Day der Siebziger. Led Zeppelin – die Legende noch einmal LIVE. 27 Jahre nach dem letzten Auftritt. Erinnerungen legen die Latte so unglaublich hoch.

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Als diese Einmaligkeit im November 2012 knapp 5 Jahre nach dem Konzert endlich herauskam, hatte ich es nicht so eilig. Letztlich stand ich nie so ultrahart auf Zep. Ja, sorry. Wenigstens als kleiner Nachzügler der Zeitzeugen will ich sicherstellen, diesen historischen Moment nicht komplett verpasst zu haben und lege heute nach – als Konvertit, der die Treppe gesehen hat, die in den Himmel führt.

Es gibt einige ganz große Konzerte von legendären Bands, Monumente im meist schlammigen Festival-Park der Rockgeschichte: Pulse, Pink Floyd  –  Live Aid, Queen  –  Live in Donington, AC/DC  –  Made in Japan, Deep Purple . Bei dem Druck gehört schon Nervenstärke dazu, das Luftschiff noch mal fliegen zu lassen und zu zelebrieren, dass echte Klasse niemals altert.

Sie haben es hingekriegt: John Paul Jones, Robert Plant, Jimmy Page zusammengehalten von Jason Bonham, dem Sohn des legendären Ur-Schlagzeugers John Bonham. Der erweckt den Eindruck, als könne er sein Glück kaum fassen, einmal auf dem Stuhl seines verstorbene Vaters in dessen Band zu trommeln. Breaks, Soli, Aufbau & Spannungsbögen in Perfektion. Ein Blick reicht. Man hatte geprobt! Black Dog wird zu einem dreckigen Groove-Vieh. Trampled Under Foot erreicht eine Leichtigkeit, als würde es gleich abheben. Einmal warm gespielt, wird das Grinsen auf den Gesichter immer breiter. Plant Stimme top. Jimmy Page wirkt lässig, euphorisiert. Stairway To Heaven führt er wirklich in ungeahnte Höhen. Led Zeppelin ist so „auf den Punkt“, der Kontakt der Musiker so intensiv und von Spielfreude geprägt. Das reisst mich mit, immer wieder.

Dann baut sich Kashmir zum Hochgebirge auf, ein Himalya mit Mega-Riff und dem präzisen Druck von Drum ’n Bass. TA DA DAT, TA DA DAT. Das hätte auch Beethoven gefallen – ohne Hörgerät. Auf der nach oben offenen Fucking Huge-Skala ne klare 11. OUH YE, YEAH…

Nach diesem Konzert liebt man Led Zeppelin durch und durch. Für immer. Obwohl es bei mir nicht immer so war. Wenn das kein Grund zum Feiern ist!

Sgt. Snickers – In Rock we trust – exclusiv für spritzvieh.de

Alvin Lee ist tot – I cant keep from crying sometimes

8. März 2013 at 12:52

Seine Gitarre hat meine Ohren entjungfert. Ich war 13 und erste Pickel kündeten vom Ende der Kindheit. Mein Schulfreund Peter hatte mir das Dreieralbum Woodstock – The Original Soundtrack ausgeliehen. Um Langspielplatten zu hören, musste ich erst meiner Schwester ihren Mister Hit abschwatzen. Die rote Plastikkiste mit durchsichtigem Deckel und dem kleinen Lautsprecher in der oberen rechten Ecke war der einzige Plattenspieler der Familie. Ich legte mich auf mein Bett und dann auf der vierten Seite Ten Years After mit I´m going home. So roh, so ein wahnsinniger Drive, entfesselt und doch filigran. Wie sich Gitarre und Stimme von Frontmann Alvin Lee umschmeicheln, wie er den Song mit einem hingetupften Lick verlangsamt, mit einem kantigen Riff abstoppt, um dann mit einen Mini-Solo wieder Tempo aufzunehmen. Hammer.

Alvins rote Peace-Gibson

One for the Money, two for the show – Alvin Lee mit „seiner“ Gibson mit den Peace-Aufklebern

Auf dem Album folgen Alvin Lee und seine Truppe auf Latinorocker Carlos Santana, dessen Stern auch in Woodstock aufging. Für TYA kein Problem. Für mich und viele andere war es das Stück auf dem Album, trotz Who, trotz Hendrix. Mal gucken, was der kleine Lautsprecher im Deckel des Plattenspielers bringt. Keine 5 Minuten Alvin und der „Alte“ steht in der Tür: „Watt is dat denn fürn Gejaule?“ Auch er hatte gemerkt, dass wir auf einem neuen Level angekommen waren. Und das wir da und nicht nur da nicht zusammenkommen würden, zeichnete sich auch schon ab. Also leiser und auf Morgen warten. Woodstock – Der Film hatte ich damals noch nicht gesehen, ich war erst 13.

Drei Jahre später auf einer Studienreise in Berlin war es so weit. Alvin Lee im Splitscreen virtuos, entrückt, der Gitarrengott. Im Kino am Steinplatz lief der Film damals seit 3 Jahren. Ein Jahr später, als ich ihn auch im heimatlichen Duisburg ein paar mal sehen konnte, bin ich sogar wieder rein, einfach weil er da noch immer lief, weil es der geilste Musikfilm aller Zeiten war und wegen Alvin Lee. Zu der Zeit hatte ich mich, sehr zur Freude meines Vaters, vom Milchbubi in Richtung Bürgerschreck entwickelt: Jeans, Boots, Matte und die unvermeidliche US-Army-Kampfjacke mit Einschussloch, dem unverzichtbaren Accessoire der Vietnamkriegsgegner, zeugten von einer klaren politischen Einstellung. Das fühlte sich gut an: Oh baby, babe I’m coming home.
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