Seine Gitarre hat meine Ohren entjungfert. Ich war 13 und erste Pickel kündeten vom Ende der Kindheit. Mein Schulfreund Peter hatte mir das Dreieralbum Woodstock – The Original Soundtrack ausgeliehen. Um Langspielplatten zu hören, musste ich erst meiner Schwester ihren Mister Hit abschwatzen. Die rote Plastikkiste mit durchsichtigem Deckel und dem kleinen Lautsprecher in der oberen rechten Ecke war der einzige Plattenspieler der Familie. Ich legte mich auf mein Bett und dann auf der vierten Seite Ten Years After mit I´m going home. So roh, so ein wahnsinniger Drive, entfesselt und doch filigran. Wie sich Gitarre und Stimme von Frontmann Alvin Lee umschmeicheln, wie er den Song mit einem hingetupften Lick verlangsamt, mit einem kantigen Riff abstoppt, um dann mit einen Mini-Solo wieder Tempo aufzunehmen. Hammer.

One for the Money, two for the show – Alvin Lee mit „seiner“ Gibson mit den Peace-Aufklebern
Auf dem Album folgen Alvin Lee und seine Truppe auf Latinorocker Carlos Santana, dessen Stern auch in Woodstock aufging. Für TYA kein Problem. Für mich und viele andere war es das Stück auf dem Album, trotz Who, trotz Hendrix. Mal gucken, was der kleine Lautsprecher im Deckel des Plattenspielers bringt. Keine 5 Minuten Alvin und der „Alte“ steht in der Tür: „Watt is dat denn fürn Gejaule?“ Auch er hatte gemerkt, dass wir auf einem neuen Level angekommen waren. Und das wir da und nicht nur da nicht zusammenkommen würden, zeichnete sich auch schon ab. Also leiser und auf Morgen warten. Woodstock – Der Film hatte ich damals noch nicht gesehen, ich war erst 13.
Drei Jahre später auf einer Studienreise in Berlin war es so weit. Alvin Lee im Splitscreen virtuos, entrückt, der Gitarrengott. Im Kino am Steinplatz lief der Film damals seit 3 Jahren. Ein Jahr später, als ich ihn auch im heimatlichen Duisburg ein paar mal sehen konnte, bin ich sogar wieder rein, einfach weil er da noch immer lief, weil es der geilste Musikfilm aller Zeiten war und wegen Alvin Lee. Zu der Zeit hatte ich mich, sehr zur Freude meines Vaters, vom Milchbubi in Richtung Bürgerschreck entwickelt: Jeans, Boots, Matte und die unvermeidliche US-Army-Kampfjacke mit Einschussloch, dem unverzichtbaren Accessoire der Vietnamkriegsgegner, zeugten von einer klaren politischen Einstellung. Das fühlte sich gut an: Oh baby, babe I’m coming home.
© spritzvieh